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Donnerstag, August 20, 2009

Antwort der Grünen auf Wahlprüfsteine der Kölner Freiwilligenagentur

Wahlprüfsteine und Anregungen zum Bürgerschaftlichen Engagement angesichts der Kommunalwahlen in NRW 2009

1: Bürgerschaftliches Engagement als Partizipation in einer demokratischen Gesellschaft

Im Sinne der Partizipation hat Bürgerengagement eine demokratiepolitische Dimension, in der sich der Anspruch äußert, als BürgerInnen gesellschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen und mit zu gestalten. Angesichts einer zunehmenden Politikverdrossenheit als Reaktion auf nicht mehr zeitgemäße Organisationsformen der repräsentativen Demokratie, auf ein oft bürgerfernes Parteiensystem und auf Verwaltungen, auf die BürgerInnen keinen Einfluss haben, kann Bürgerengagement integrativ wirken und die repräsentative Demokratie durch aktive Mitgestaltung der BürgerInnen stärken. Die Politik kann gesellschaftliche Probleme nicht allein lösen, sie kann sie nur unter Einbeziehung der Bürgergesellschaft bewältigen. Auf der Ebene der Kommune müssen neue Formen des Engagements und der politischen Partizipation gefunden werden, die dazu beitragen, die Kommune im Sinne einer sozialen Stadt weiterzuentwickeln. Das gilt für die Gestaltung des lokalen urbanen Raums ebenso wie für die Mitwirkung bei der Entwicklung des Sozialraumes.

Die Stadt Köln hat in den letzen Jahren einige Anstrengungen unternommen und beispielsweise BürgerInnen bei Bauvorhaben und Planungsprozessen an ausgewählten Orten beteiligt und erste Schritte zu einem Bürgerhaushalt erfolgreich eingeleitet.

• Was werden Sie tun, damit Initiativen und Anregungen von BürgerInnen bei politischen Entscheidungen und in der Verwaltung der Stadt noch mehr als bisher aufgenommen werden?

Antwort: Die Ergänzung repräsentativer Demokatie durch Bürgerengagement ist zentraler Punkt grünen Politikverständnisses. Bürgerinitiativen sind spätestens seit den 70ger Jahren lebensnotweniges Element positiver gesellschaftlicher Veränderung.Deshalb gilt auch für die nächsten Jahre in Köln: Partizipation stärken! Ausgehend vom positiven Beispiel der Bürgerbeteiligung in Braunsfeld brauchen wir Beteiligungen auch beim “Masterplan Innenstadt” bis hin zu mehr Bürgerbeteiligung in den 11 Kölner Sozialraumgebieten.

2: Die EhrenamtsKarte als gesellschaftliche Wertschätzung bürgerschaftlichen Engagements

Die wichtigste Anerkennung erfahren Ehrenamtliche direkt von der Einrichtung, für die sie sich engagieren. Darüber hinaus sind öffentliche Formen der Anerkennung wichtig, sowohl für die Engagierten selbst als auch als Signal in der Öffentlichkeit. Die Stadt Köln hat seit einigen Jahren veschiedene Maßnahmen ergriffen, um bürgerschaftliches Engagement öffentlich zu würdigen. Dazu gehört der Ehrenamtstag, der Preis KölnEngagiert, die Unterstützung des Kölner Netzwerkswerks Bürgerengagement und verschiedene Empfänge für Engagierte.

Ehrenamtliches Engagement wird aber bisher häufig nicht individuell genug und insgesamt viel zu selten öffentlich anerkannt. Die Landesregierung NRW empfiehlt in ihrer Kampagne ehrensache.nrw.de den Kommunen die Einführung einer EhrenamtsKarte als individuelle Würdigung ehrenamtlicher Arbeit. Dies hat die CDU veranlasst am 5.5.2009 einen entsprechenden Antrag im Stadtrat einzubringen. Als Reaktion auf diese Initiative haben die Fraktionen der SPD und des Bündnis ‘90/Die Grünen einen Änderung- bzw. Ergänzungsantrag gestellt. Daraufhin wurde die Verwaltung beauftragt, die Einführung der EhrenamtsKarte zu prüfen.

Die EhrenamtsKarte dokumentiert das Engagement Einzelner in der Gesellschaft und ist darüber hinaus konkret mit finanziellen Vorteilen verbunden. Die Bereitschaft sich ehrenamtlich zu engagieren muss über eine ideelle Wertschätzung hinausgehen. Die Einführung einer personalisierten EhrenamtsKarte für alle Engagierten ist Ausdruck einer individuellen Anerkennung mit breit angelegtem öffentlichem Charakter.

• Wieviel ist Ihnen die EhrenamtsKarte als Form der gesellschaftlichen Wertschätzung von Bürgerengagement in Köln wert und befürworten Sie die Bereitstellung von öffentlichen Mitteln beziehungsweise Vergünstigungen von städtischen Gesellschaften?

Antwort: Die Ehrenamtskarte kann ein sinnvoller Baustein in einem Gesamtpaket von individueller Anerkennung des Ehrenamtes sein. Anerkennugn kann sich auch in verbessertem Versicherungsschutz, Fahrkostenzuschüssen der Einsatztstellen, Ehrenamtszertifikaten usw. äußern.Unsere Wunschvorstellung in Zeiten leeren kommunaler Kassen wäre ein Pass, für den Unternehmen wie Kinos, Restaurants, Fitness-Studios, Bildungsträger usw. Rabatte einräumen würden. In etwa angelehnt an das Modell der Abo-Card des Kölner Stadtanzeigers.

3: UnterstützerInnen stärken, Infrastruktur ausbauen

In Köln sind seit dem Jahr 2000 sechs Vermittlungsorganisationen aktiv. Sie haben sich zu dem Netzwerk “Kölner Arbeitskreis Bürgerschaftliches Engagement” (KABE) zusammengeschlossen. Vermittlungsorganisationen bringen Menschen, die sich engagieren wollen, zusammen mit gemeinnützigen Einrichtungen, die Ehrenamtliche suchen. Um Bürgerengagement bekannter und beliebter zu machen, sind unterschiedliche Menschen auf unterschiedlichen Wegen und mit passenden Angeboten anzusprechen. Gleichzeitig werden gemeinnützige Einrichtungen darin unterstützt, besser mit Ehrenamtlichen zusammenzuarbeiten und engagementfreundlicher zu werden. Dabei orientieren sich Vermittlungsporganisationen nicht nur an dem vorhandenen Bedarf, sondern denken weiter und setzen zukunftsweisende Impulse für eine lebendige Bürgergesellschaft, in der ehrenamtliches Engagement ein Ausdruck der freien Entfaltung jeder einzelnen Persönlichkeit ist und gleichzeitig für alle das Leben in Köln lebenswerter macht.

Die städtische Förderung der Vermittlungsorganisationen ist seit dem Jahr 2000 nicht erhöht worden, obwohl die Anzahl der Engagementvermittlung gestiegen ist und viele neue Aufgaben hinzu gekommen sind . Die Liga der Wohlfahrtsverbände fordert, dass die Förderung erhöht und an die Förderung vergleichbarer Netzwerke (Seniorennetzwerke) angeglichen wird. Zudem sollte die Förderung der intensiven und geregelten Form des Bürgerengagements, der Freiwilligendienste aller Generationen, verstetigt werden. Die Träger, die sich im Netzwerk Engagement 10plus zusammengeschlossen haben, sollten auch unabhängig von Modellprogrammen des Bundes unterstützt werden.

Angestoßen durch die KABE hat im Jahr 2003 ein weiteres Netzwerk die Arbeit aufgenommen. Das Kölner Netzwerk Bürgerengagement bringt die Akteure des Bürgerengagements in Köln an einen Tisch. Wichtige Impulse gingen in den letzten Jahren von vielfältigen Arbeitsgruppen aus und wurden vom Rat der Stadt Köln aufgenommen und bestärkt. Nach diesen ersten erfolgreichen Jahren wird in der nächsten Legislaturperiode des Rates zu fragen sein, wie die Arbeit des Netzwerks in Zukunft fortgeführt werden soll.

• Werden Sie sich dafür einsetzen, die städtische finanzielle Unterstützung der Vermittlungsorganisationen aufzustocken und was werden Sie tun um die Förderung des Bürgerengagements generell auszuweiten?

Antwort: Die Grünen sind dafür, die Zuschüsse der 6 Vermittlungsorganisationen von ca. 25 000 Euro auf ca. 33 000 Euro pro Jahr zu erhöhen.

Die Zuschüsse an das Netzwerk Bürgerengagement müssen in vollem Umfang erhalten bleiben. Das Netzwek soll weiterbestehen und seine Arbeit ausweiten.

4: Engagementangebote für bildungsferne und sozial benachteiligte Gesellschaftsgruppen

Für die Verbesserung der Lebenssituation bildungsferner und sozial benachteiligter Bevölkerungsgruppen in die Gesellschaft sollten auch Selbsthilfepotentiale genutzt werden. Bürgerschaftliches Engagement stimuliert dieses Potential und zeigt positive Wirkungen: Eigenes Engagement stärkt das Selbstbewusstsein und fördert die eigene Handlungsfähigkeit. Gleichzeit eröffnet eigene Betroffenheit andere Zugänge zu Menschen in vergleichbaren Lebenssituationen, als sie durch professionelle Unterstützungssysteme möglich sind.

Engagementangebote für sozial benachteiligte und bildungsferne Gruppen sind in Köln begrenzt. Damit sind ausgerechnet diejenigen Bevölkerungsgruppen, die ganz besonders von den Bildungseffekten des bürgerschaftlichen Engagements profitieren würden, benachteiligt.

Die Sozialpolitik in Stadtteilen mit hohem Entwicklungsbedarf solte besser verzahnt werden mit dem Ausbau von bürgerschaftlichen Engagementangeboten. So sollten benachteiligte Bevölkerungsgruppen einen besseren Zugang zum bürgerschaftlichen Engagement bekommen. Wenn beispielsweise in Chorweiler junge Männer gewalttätig werden, reicht es nicht aus, kurzfristig einige weitere Sozialarbeiter einzustellen und die Polizei den jungen Männern die Konsequenzen ihres Handelns schildern zu lassen. Nicht nur ExpertInnen müssen aktiv werden, sondern die Betroffenen selbst und ihr soziales Umfeld. Sie werden damit vom Objekt zum Subjekt bei der Lösung der eigenen Probleme. Nur so sind langfristig Erfolge für ein friedliches Miteinander zu erzielen.

• Was werden Sie tun, um die Zugangsmöglichkeiten zu bürgerschaftlichem Engagement von Menschen in benachteiligten Stadtteilen zu verbessern? Sind Sie bereit, in Kooperation mit den freien Trägern Strategien zu entwickeln, um sicher zu stellen, dass Möglichkeiten bürgerschaftlichen Engagements in allen Bereichen der Sozialpolitik berücksichtigt werden (Mainstreaming)?

Antwort: Nicht zuletzt durch unsere Initiative ist die Idee und das Konzept der Sozialraumarbeit, nämlich alle Angebote zu vernetzen, um präventiv gegen Bildungsarmut, Arbeitslosigkeit und Entsolidarisierung zu arbeiten, ergänzt worden um das Ziel, mehr Bürgerbeteiligung zu mobilisieren. Bereits in früheren Jahren haben wir z.B. in Holweide oder Ostheim gute Erfahrungen mit Mieterräten als Beteiligungsorgane gemacht.

Gleichzeitig haben wir unterstützt, dass das Netzwerk Bpürgerengagement eine Arbeitsgruppe einrichtet, um Ansätze von “passgenauer” Förderung von Partizipation in diesen Stadtteilen zu entwickeln. Das wird gleichzeitig der Grundstock von entsprechendem “Mainstreaming” in der Sozialpolitik sein.

5: Bürgerschaftliches Engagement als Beitrag zur Integration

Bürgerschftliches Engagement bietet viele Möglichkeiten, Menschen mit Migrationshintergrund einzubinden und Integrationsprozesse zu fördern. Laut Freiwilligensurvey 2004 sind aber Menschen mit Migrationshintergrund weniger in Bürgerschaftliches Engagement eingebunden als Nichtmigranten (in NRW 20% gegenüber 37%). Das hat viele Ursachen: von einer anderen Engagementpraxis in Familienzusammenhängen über fehlende Gruppen, in denen Migranten und Nichtmigranten zusammenarbeiten können bis hin zu Berührungsängsten aufgrund von ethnischen Unterschieden oder Vorurteilen. Eine Lösung des Problems kann in der interkulturellen Öffnung des Bürgerengagements liegen, aber auch in der Aktivierung der Kompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund.

Hilfestellung bei der Integration leisten Migrantenorganisationen, die als Brücke zur Integration oft unterschätzt werden. Darüber hinaus spielt die Öffnung der Einrichtungen der Mehrheitsgesellschaft für MigrantInnen eine wichtige Rolle, damit sich unterschiedliche Initiativen und Gruppen gemeinsam für die Lösung gesellschaftlicher Probleme einsetzen und den Lebensraum, z.B. in der Kommune, gestalten können. Diese Öffnung fördert die Überwindung von ethnischen, religiösen und sozialen Grenzen und stiftet neue Gemeinsamkeiten. Sie fördert Partizipation (Bericht der Enquete – Kommission "Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements 2002", S.105). und eröffnet damit eine Chance für die Integration. Sie ermöglicht aktive Teilhabe an der Planung und Gestaltung einer interkulturellen Bürgergesellschaft. Diese Teilhabe ist aus unserer Sicht erstrebenswert und stellt einen Gewinn für die Aufnahmegesellschaft von Zuwanderern dar.

• Wo sehen Sie konkrete Möglichkeiten, Bürgerengagement bei Menschen mit Migrationshintergrund zu fördern und welche Schritte werden Sie unternehmen, um gemeinnützige Einrichtungen darin zu bestärken, sich für die freiwillige Mitarbeit von Menschen mit Migrationhintergrund zu öffnen?

Antwort: In unserem Wahlprogramm propagieren wir Grüne die “interkulturelle Öffnung” der Verwaltung und der sozialen Dienste. Das heißt nicht nur “Mehr Einstellung von Migranten”, das heißt nicht nur, mehr Chancengleichheit für M enschen mit Migrationshintergrund, sondern das heißt vor allem: Mehr Dienstleistungsqualität für die Bürger. In der globalisierten Welt entwickeln bikulturelle Menschen oft mehr Flexibilität und Kreativität.So sind z.B. bikulturelle Erzieherinnen oft ein Gewinn für alle Kinder in den Einrichtungen.

In diesem Zusammenhang ist auch die Gewinnung von bikulturellen Ehrenamtlern ein großer Gewinn für Träger und Einrichtungen

.Wir haben uns dafür stark gemacht, dass die Kölner Freiwilligen-Agentur zusammen mit anderen Trägern in diesem Zusammenhang ein Konzept entwickeln wird.

6: Förderung strategischer Partnerschaften zwischen Unternehmen und Gemeinnützigen

Seit Ausbruch der weltweiten Wirtschaftskrise wird der gesellschaftliche Zusammenhalt als wichtiger Stabilitätsfaktor zunehmend anerkannt. Das gesellschaftliche Engagement von Unternehmen wird in der Öffentlichkeit dabei vermehrt als wichtiger Pfeiler bei der Verwirklichung dieser Aufgabe angesehen. Angesichts des engen finanziellen Spielraumes stehen Ausgaben aller Art jedoch verstärkt auf dem Prüfstein. Aus diesem Grund sind die EntscheiderInnen in den Unternehmen, die gesellschaftliches Engagement unterstützen, aber auch die VertreterInnen gemeinnütziger Organisationen vermehrt dem Druck ausgesetzt, den Nutzen ihres Engagements nachzuweisen.

In den vergangenen Jahren hat die Förderung von Unternehmensengagement und die Darstellung der Vorteile sowohl für die Unternehmen, für die gemeinnützigen Organisationen als auch für die Gesellschaft zunehmend Raum in der öffentlichen Debatte eingenommen. Nun ist es aus unserer Sicht an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen: Strategische Partnerschaften zwischen Unternehmen und Gemeinnützigen sowie der Kommune können die Wirksamkeit dieses partnerschaftlichen Engagements erhöhen. Sie sind meist längerfristig angelegt, bündeln die Kompetenzen verschiedener Partner und können dadurch einen größeren Nutzen für alle Beteiligten erzielen. Aufgrund der Komplexität der Aktivitäten ist dabei die Formulierung von Zielen und die Entwicklung von Indikatoren zur Messung von Wirkungen wünschenswert.

• Welche Maßnahmen, die die Herausbildung strategischer Partnerschaften zwischen Unternehmen und gemeinnützigen Einrichtungen fördern unterstützen Sie?

Antwort: Zunächst gilt es,flächendeckend eine gewisse “Fremdheit” zwischen Wirtschaftsunternehmen und “freien Trägern” abzubauen. Berührungspunkte gab es bisher meist nur durch traditionelles Sponsoring

Die oben genannten strategischen Partnerschaften schaffen eine neue Qualität gegenseitigen Nutzens ( win-win)

.Auf unsere Initiative hin hat der Stadtrat relativ früh (2003)der Verwaltung eine Impulsfunktion in “corporate volunteering” zugesprochen. Jetzt kommt alles darauf an, positive Beispiele dieser Partnerschaften darzustellen und die Anzahl der Kooperationen stetig zu erhöhen.

Geschrieben von Ossi Helling am 12:45 AM
Kategorien: Aktuelles, Veröffentlichungen